Kritikpunkte
Es gibt einige gängige Kritikpunkte an der technischen Analyse, die Murphy in seinem Standardwerk zur technischen Analyse (Technische Analyse der Finanzmärkte, 2003) diskutiert und entkräftet:
Sich selbst erfüllende Prophezeiung
Es liegt natürlich nahe, zu befürchten, dass wenn viele Händler gleichzeitig nach denselben Chartmuster handeln, sich eine selbsterfüllende Prophezeiung einstellt. Dies könnte aber genauso gut jeder anderen Analyseform, etwa der Fundamentalanalyse, unterstellt werden. Es wäre natürlich ein Kompliment für die technische Analyse, wenn derart viele Marktteilnehmer von ihr überzeugt sind und sich dadurch die Märkte beeinflussen ließen. Allerdings kann dies aus verschiedenen Gründen auch stark bezweifelt werden, denn zum einen ist die technische Analyse keine exakte Wissenschaft, bei der jeder Analyst zwingend zu den gleichen Ergebnissen kommen wird. Vielmehr ist es eine Frage der Geschicklichkeit, verbunden mit persönlichen Eigenschaften wie Risikoneigung. Es bleiben bei vielen Analysen Zweifel und Unsicherheiten. Zum anderen kommt hinzu, dass der Fokus der Analysen der verschiedensten Marktteilnehmer völlig unterschiedlich sein kann: Die einen handeln auf langfristige Trends, andere eher kurzfristig. Auch der Markteinstiegszeitpunkt, das Timing, kann unterschiedlich sein… Und würde tatsächlich eine sich selbst erfüllende Prophezeiung eintreten, müsste diese sich relativ schnell selbst wieder korrigieren, da sich Trends nur halten können, wenn sie durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage gerechtfertigt sind. Händler würden ihre Analysen anpassen und versuchen, der „Allgemeinheit“ zuvorzukommen bzw. Fehlsignale zu vermeiden.
Prognose der Zukunft mittels der Vergangenheit
Ist es legitim, vergangene Preise für die Prognose zukünftiger Bewegungen heranzuziehen? Es überrascht, dass dieser Kritikpunkt immer wieder im Zusammenhang mit der technischen Analyse aufgeführt wird, denn genauso gut könnte jeder andere Art der Prognose, inkl. der Fundamentalanalyse, dieser Vorwurf gemacht werden. Vielmehr ist die technische Analyse eine Form der Zeitreihenanalyse basierend auf Daten der Vergangenheit, wie sie in vielen anderen Formen der Zeitreihenanalyse, einschließlich der Statistik, vorgenommen wird.
Random-Walk-Hypothese
Diese in der Statistik entwickelte Hypothese besagt kurz und knapp zusammen gefasst, dass Kursbewegungen zufällig und daher nicht vorhersagbar sind. Es besteht auch sicherlich kein Zweifel, dass ein gewisses Maß an Zufälligkeit in den Preisbewegungen enthalten ist. Jedoch ist es unrealistisch, dass alle Preisbewegungen einzig und allein dem Zufall unterliegen. Vielleicht ist aber auch die Statistik einfach nicht die richtige Disziplin, um Finanzzeitreihen zu analysieren. Vielmehr gibt es in dem recht jungen Bereich des Behavioral Finance einige interessante Ansätze, die von einer engen Verbindung zwischen menschlicher Psychologie und den Marktpreisen ausgehen. Und exakt hier setzt die technische Analyse an.