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Die Wirtschaft boomt, Pensionsfonds geraten unter Druck, ihre garantierten Renditen zu erwirtschaften, unsere Regierung kann trotz Rekordschuldenstand einen Haushaltsüberschuss verkünden, die reale Kaufkraft der Vermögen der Sparer in Deutschland sinkt – alles Umstände, die zwei Dinge gemeinsam haben. Zum einen beeinflussen sie unsere Wirtschaft und dabei nicht zuletzt unser Leben. Zum anderen sind sie mittelbar oder unmittelbar auf die Geld- und damit die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zurückzuführen.
Diese hohe Bedeutung zeigte sich auch vor gut einem Monat als (mal wieder) ein Protokoll der Ratssitzung der EZB zu regen Bewegungen an den Aktienmärkten führte. Allein das Weglassen eines einzelnen Satzes zur möglichen uneingeschränkten Fortführung der Anleihenkäufe löste eine hohe Nervosität aus. Am gleichen Tag führte dasselbe Protokoll dennoch zu einem Kurszuwachs von fast einem Prozent.
Was hat das alles mit uns Energiehändlern zu tun?
Die Antwort liegt auf der Hand. Zunächst einmal wird Energie, genau wie Aktien, an Börsen gehandelt. Vor allem aber stellen Energieträger den wichtigsten Rohstoff der Wirtschaft dar. Diese wiederum ist abhängig von einem ständigen Zufluss an Liquidität und somit auch von der Geldpolitik. Dieser Annahme folgend drängt sich die Frage auf, ob denn die Energiemärkte über diesen Umweg oder sogar direkt von der Geldpolitik beeinflusst werden.
Wie wird Geldpolitik überhaupt gemacht?
Im Wesentlichen hat die EZB drei Stellschrauben:
Da gibt es den Mindestreservesatz, der festlegt, wieviel Geld Geschäftsbanken von ihrem verliehenen Geld bei der Zentralbank parken müssen. Dieser wurde nur einmal geändert und liegt seit 2012 bei einem Prozent. Daher brauchen wir der Mindestreserve keine weitere Bedeutung beimessen.
Als zweites Instrument gelten die sogenannten Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilitäten, bei denen Banken jederzeit und sofortig Liquidität erhalten oder einlegen können. Durch die Fazilitäten werden die Zins-Ober- und -Untergrenzen für kurzfristiges Kapital im Interbankenmarkt festgelegt. Ein Beispiel: Benötigt eine Bank kurzfristig Geld kann sie dieses von anderen Banken leihen. Sind die Zinsen dafür aber höher, als bei der Spitzenrefinanzierung der EZB, wird die Bank die letztere in Anspruch nehmen. Daraus folgt, dass sich auf dem Interbankenmarkt kein höherer Zinssatz etablieren kann, als die EZB als Spitzenrefinanzierungssatz festgelegt hat und vice versa.
Viel interessanter ist jedoch die Offenmarktpolitik. Diese stellt die Hauptquelle der Refinanzierung der Geschäftsbanken dar und ist somit das mächtigste Instrument der EZB. Bestimmt sie doch, wieviel Geld in die Wirtschaft fließt und wie hoch die Kosten für dieses Kapital sind. Der Großteil der Offenmarktpolitik erfolgt über Pensionsgeschäfte. Dabei handelt es sich um den Kauf von Wertpapieren bei dem sich die Schuldner, in der Regel die Geschäftsbanken, zum Rückkauf des Wertpapiers verpflichten. Die Kreditinstitute erhalten im Gegenzug entsprechende Liquidität für den Zeitraum des Pensionsgeschäftes. Das Eigentum am Wertpapier geht an die Zentralbank über.
Auch das umstrittene Anleihenprogramm der Zentralbank gehört zur Offenmarktpolitik. Interessant zu wissen ist dabei, dass die Offenmarktgeschäfte auch umgekehrt funktionieren. Das heißt, dass es auch denkbar wäre, dass die EZB in Phasen höherer Inflation ihrerseits ein Anleihenverkaufsprogramm startet, um so die Geldmenge auf dem Markt zu senken.
Bei der Offenmarktpolitik legt die Zentralbank die Fristigkeiten, das Volumen und die Zinsen fest. Dadurch können Änderungen der Geldpolitik schnell in die Realwirtschaft weitergegeben werden. Der zugehörige Zinssatz wird als Hauptrefinanzierungssatz bezeichnet. Aufgrund seiner hohen Bedeutung gilt dieser als Leitzins und eignet sich damit auch hervorragend, um Geldpolitikmessbar zu machen.
Zentrale Fragen:
Nachdem wir den Hauptrefinanzierungssatz als einen wichtigen Indikator für die Zinspolitik identifiziert haben, ergeben sich zwei konkrete Fragen:
Existiert ein langfristiger Zusammenhang zwischen der Höhe der Energiepreise und der Zinspolitik?
Ist zum Zeitpunkt einer Zinsänderung eine höhere Volatilität messbar, so wie es am Aktienmarkt der Fall ist?
Für beide Fragen schauen wir uns exemplarisch den deutschen Gasmarkt, genauer die adjustierten Settlementpreise für das jeweilige Frontjahr in NCG und Gaspool, an. Die Zeitspanne reicht bis 2016, da hier die letzte Zinsanpassung erfolgte.
Messung der Korrelation
Wenn man sich den Graphen ansieht, könnte man mit dem bloßen Auge schon einen Zusammenhang erahnen. Besonders die ersten Jahre um die Finanzkrise ab 2008 verlaufen fast deckungsgleich. Bemerkenswert ist dabei, dass der Zins in diesem Zeitraum dem Gaspreis zu folgen scheint. Als Beleg für eine Wechselwirkung reicht das natürlich noch nicht. Also schauen wir uns noch zwei Korrelationskoeffizienten an, die den Zusammenhang in Form von einer Zahl zwischen -1 und 1 wiedergeben. 1 steht für eine maximale positive Korrelation und vice versa. Ein Wert gleich Null beschreibt eine rein zufällige Verteilung.
Der Bravais-Pearson-Koeffizient misst einen proportionalen Zusammenhang. Ergebnis: 0,5.
Der Spearman-Koeffizient misst keine Proportionalität, sondern eine Rangkorrelation. Dabei wird geschaut, ob der höchste Wert von Merkmal A dem höchsten Wert von Merkmal B gegenübersteht, der kleinste Wert von A dem kleinsten Wert von B, usw. Ergebnis: 0,49.
Scheinkorrelation
Zwar zeigen die Koeffizienten eine signifikante Korrelation zwischen der Leitzinshöhe und dem Gaspreis. Leider hat das noch nicht viel zu sagen, denn was nicht gezeigt werden konnte, ist, ob der mathematische Zusammenhang nur eine Scheinkorrelation beschreibt. Das beste Beispiel für eine solche Scheinkorrelation ist die Beobachtung, dass die Population von Storchen in kinderreichen Ländern höher ist. Liegt hier eine Korrelation vor? Ja! Kann man deshalb von einem Sachzusammenhang sprechen? Das darf vorsichtig bezweifelt werden.
Volatilität
Also gehen wir noch etwas tiefer und schauen uns die einzelnen Tage der Zinsänderungen an. Im Aktienmarkt sorgen diese für erhebliche Bewegungen und damit einen Anstieg der Volatilität. Diese Beobachtung müsste auch für den Gasmarkt gelten. Die Volatilität im Zeitraum vor und nach einer Zinsentscheidung müsste signifikant geringer sein, als zum Zeitpunkt der Zinsänderung selbst.
Die folgende Abbildung zeigt alle Leitzinsanpassungen der EZB der letzten 10 Jahre. Für jeden Zeitpunkt sind zwei Messwerte abgebildet. Diese geben die Volatilität (gemessen als Standardabweichung) für die Tage vor und nach einer Zinsanpassung wieder. Dabei stellen die Messreihen keine absoluten Werte dar, sondern die prozentuale Änderung der Volatilität zum Zeitpunkt der Zinsänderung. Unserer Annahme nach müssten die beiden Messwerte also negativ sein.
Bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass das nur vereinzelt der Fall ist. Es ist kein generelles Schema im Verhalten der Volatilität erkennbar. Die genauen Ursachen sind schwer zu identifizieren. Zwei Erklärungsansätze könnten wie folgt lauten: Zum einen ist die Liquidität eines Gas-Futures nicht mit der von Aktienindizes vergleichbar. Zum anderen steht hinter einem Jahresfuture letztendlich eine physische Erfüllung, was die Nachfrage und somit den Preis stabil hält. Der Ökonom spricht in so einem Fall von einer geringen Preiselastizität der Nachfrage.
Was haben wir nun daraus gelernt?
Es kann gesagt werden, dass die Leitzinshöhe trotz bestehender Korrelation keine belegbaren Auswirkungen auf die Gaspreise besitzt. Es wird wieder einmal mehr deutlich, wie komplex die Börse funktioniert und dass einfache Wenn-Dann-Zusammenhänge nur selten auftreten. Mehr ist es eine Vielzahl an bekannten und unbekannten Einflussgrößen, die am Ende den Preis bestimmen. Glücklicherweise gibt es andere Mittel der Analyse, die ein klareres Bild zum Kurs liefern, wie zum Beispiel die Charttechnik.
In diesem Sinne wünsche ich noch weiterhin maximale Erfolge.
Wenn Sie Fragen zum Thema haben, schreiben Sie mir doch eine Mail an: mueller.franz.2012@gmail.com
Franz Müller
Energiehändler
eg-factory GmbH
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